Grußbotschaften zum Kongress

Gerald Hüther

 

Liebe Teilnehmer – was für eine sonderbare Bezeichnung,

 

ich versuche es noch einmal:

 

Liebe Wegbegleiter unserer Kinder in die Welt von morgen,

 

 

 

Die Welt, wie wir Erwachsene sie kennen und in der wir heute leben, wird es morgen, wenn unsere Kinder erwachsen geworden sind, nicht mehr geben. Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte hat sich so vieles, was uns vertraut war und selbstverständlich erschien, so rasch und so grundlegend verändert, wie wir das gegenwärtig erleben. Niemand kann mehr voraussagen, was von all dem Wissen, das heute noch in den Lehrplänen steht und in Schulen unterrichtet wird, morgen für die dann erwachsen gewordenen Schüler, tatsächlich noch Bedeutung besitzt. Schon jetzt erleben wir, dass immer mehr von dem, was wir bisher als uns Menschen eigene Fähigkeiten betrachtet haben, von digital gesteuerten Geräten und Automaten übernommen werden. Die können sich mehr merken als wir, sich auch besser orientieren als wir, die sind genauer und zuverlässiger und funktionieren effektiver und fehlerfreier als wir. Was also bleibt unser Herausstellungsmerkmal, das uns auch in Zukunft von all diesen, von Menschen gebauten Rechnern und Automaten unterscheidet? Und wenn es so etwas gibt, was nur wir als Menschen zu leisten vermögen, wäre es dann nicht allerhöchste Zeit, den Focus unserer Bildungsbemühungen für die gegenwärtig nachwachsende Generation auf die optimale Entfaltung genau dieser besonderen menschlichen Fähigkeit zu richten? Nein, dass wir etwas lernen können, unterscheidet uns nicht von Computern. Das können die inzwischen auch. Auch Denken im Sinn von Kombinieren und neue Kombinationen hervorbringen, also sich etwas ausdenken, können unsere digitalen Geräte ebenfalls. Aber sie sind und bleiben Rechenmaschinen – gefühllos, phantasielos, ohne jede Intuition. Sie können selbst nichts wollen, und sie sind deshalb auch außerstande, Mittel und Wege zu ersinnen, um das, was sie wollen, auch zu erreichen. Sie sind perfekte Suchmaschinen, aber sie können nichts Neues entdecken. Unsere digitalen Rechner und Automaten sind und bleiben Maschinen. Sie können uns vieles, auch viele der bisher als geistige Leistungen bezeichneten Verrichtungen abnehmen, aber sie funktionieren nur so, wie wir sie programmiert haben und auch nur so lange, wie wir sie mit Strom versorgen. Sobald wir den Stecker herausziehen oder die Batterie abklemmen, können sie nichts mehr – weil sie nicht verstehen, wo die für die Aufrechterhaltung ihrer Funktionen erforderliche Energie herkommt.

 

Die Möglichkeit, Maschinen zu nutzen, um entweder die Hände oder den Kopf nicht länger für Tätigkeiten einsetzen zu müssen, die sie viel besser erledigen können als wir, ist ein Segen. Je intensiver und begeisterter wir solche Maschinen dann aber im täglichen Leben benutzen, um es für uns bequemer zu machen, desto mehr wird dieser Segen jedoch zu einem Fluch. Denn unser Gehirn und die dort herausgeformten Nervenzellvernetzungen passen sich dann zunehmend an diese Art ihrer Nutzung bzw. nicht-mehr-Benutzung an.

 

Wer mit großer Begeisterung jahrelang digitale Maschinen entwickelt und benutzt, kann sich zunehmend besser in dieser Geräte hineinversetzen. Sie oder er denkt dann nicht nur selbst immer stärker so, wie die funktionieren. So jemand kann dann auch sehr bald ohne diese Geräte nicht mehr leben, findet sich ohne deren Hilfe nicht mehr zurecht.

 

Wir alle kennen heute schon genügend Schüler, die der Funktionsweise, der von ihnen genutzten digitalen Geräten immer ähnlicher werden. Wie ihren Rechnern fehlt auch ihnen das Verständnis ihrer eigenen Eingebundenheit, auch sie können nur noch in logischen Kausalketten denken, außer mit ihren digitalen Geräten und anderen Nutzern fühlen auch sie sich mit nichts mehr verbunden. Viele von ihnen leben schon in einer virtuellen Welt und finden sich im realen Leben kaum noch zurecht. Sie wirken so, als hätten sie ihre lebendigen Wurzeln verloren. Und woher all das kommt, was sie am Leben hält, ist ihnen gleichgültig. Hauptsache es gibt keinen Stromausfall und ihr Rechner stürzt nicht ab.

 

 

Wie können wir diesen Kindern helfen, wie können wir verhindern, dass sie sich in dieser global digitalisierten Welt verlieren?

 

 

Indem wir sie so annehmen wie sie sind. Bedingungslos – und das heißt nichts anderes als mit allen Kräften zu verhindern, dass sie zu Objekten unserer Absichten und Ziele, unserer Erwartungen und Bewertungen, unserer Belehrungen und Maßnahmen, auch unserer Bewunderung gemacht werden. Was sie brauchen, um die in ihnen angelegten Talente und Begabungen entfalten zu können, ist das Gefühl, so wie sie sind, angenommen zu sein und gesehen zu werden, dazuzugehören und ihrer angeborenen Entdeckerfreude und Gestaltungslust frei und unbekümmert, aber auch kompetent und umsichtig begleitet nachgehen zu können.

 

 

Das sind die zentralen Merkmale einer Ökologie der Kindheit: Eine Lebenswelt, in der Kinder in Freiheit und Verbundenheit zu phantasievollen, kreativen, selbstbewussten und verantwortungsbewusssten Persönlichkeiten heranwachsen können.

 

 

Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass uns das in Zukunft deutlich besser gelingt als bisher.

 

 

Gerald Hüther

 

 

 

Bundesministerin Dr. Sophie KARMASIN

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

am 20. November wurde auch dieses Jahr wieder der Internationale Tag der Kinderrechte1 weltweit gefeiert.

 

Es ist nun 28 Jahre her, dass das Übereinkommen über die Rechte des Kindes von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989 angenommen wurde.

 

Die Kinderrechtekonvention beinhaltet einen umfassenden Katalog von grundlegenden sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten für Menschen bis zum 18. Lebensjahr.

 

Mit 196 Vertragsstaaten haben die Kinderrechte eine universelle Geltung erreicht und gilt die Kinderrechtekonvention heute als erfolgreichster Völkerrechtsvertrag der Geschichte.

 

Die Kinderrechtekonvention knüpft in soziologischer Betrachtung an der Vorstellung an, „dass das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit in einer Familie und umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufwachsen sollte“.

 

Neben emotionaler Zuwendung, Fürsorge, Schutz und Geborgenheit werden von der Familie eine sorgfältige Erziehung des Kindes sowie die Förderung der Talente und Neigungen des Kindes als Grundstein für die Entfaltung seiner Persönlichkeit erwartet.

 

Umgekehrt ist auch die graduell zunehmende Selbstbestimmung des Kindes in jeder Lebensphase durch das Recht des Kindes auf Beteiligung und Mitsprache in allen seine Lebenswelt betreffenden Angelegenheiten anzuerkennen.

 

1 http://www.unric.org/en/latest-un-buzz/27142-universal-childrens-day-20-november

Aufgabe des Staates ist es dabei, Eltern und Familien bei der Erfüllung dieser anspruchsvollen Herausforderungen der Kindererziehung nach bester Möglichkeit zu unterstützen.

 

Darüber hinaus kommt dem Staat aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses von Kindern ein spezieller Handlungsauftrag zum Schutz jedes Kindes vor jeglicher Form von körperlicher und seelischer Gewalt zu.

 

Dazu besagt das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (2011)2 unmissverständlich: Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung!

Kinderrechte sind ein Auftrag für uns alle

 

Mit der Kinderrechtekonvention hat sich Österreich politisch wie rechtlich zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte und zur besonderen Achtung der Anliegen und Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern in Gesetzgebung und Verwaltung verpflichtet.

 

Der am 20. November wiederkehrende Internationale Tag der Kinderrechte ist jene Gelegenheit, die Kinderrechte einer breiten Öffentlichkeit bekannt und vertraut zu machen, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Rechte von Kindern zu stärken und die Erwachsenenwelt aufzufordern und einzuladen, Kinder und Jugendliche als kompetente und eigenständige Persönlichkeiten wahr- und ernst zu nehmen.

 

Die Verwirklichung der zentralen Prinzipien der Kinderrechtekonvention – allen voran die Vorrangigkeit des Kindeswohls, das absolute Gewaltverbot, Partizipation und das Diskriminierungsverbot – liegt in der Verantwortung aller gesellschaftlichen Kräfte.

 

Der Kongress ÖKOLOGIE DER KINDHEIT stellt in diesem Sinn einen nicht hoch genug einzuschätzenden Beitrag der Zivilgesellschaft dar, die Anstrengungen Österreichs auf dem Weg hin zu einer Vorreiterrolle in Sachen Kinderrechte zu unterstützen und bestärken.